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Intelligente Verkehrssysteme: Die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs

Bedingt durch die global zunehmende Urbanisierung benötigen Städte vermehrt zuverlässige, smarte und effiziente ÖPNV-Systeme. Aber welche Technologien machen ein Verkehrssystem überhaupt „intelligent“? Und wer wird in Zukunft am meisten von diesen Systemen profitieren?

[Translate to Deutsch:] Intelligent public transport systems

Die Entwicklung zur Smart City

Weltweit wachsen Volkswirtschaften in bisher ungekanntem Tempo – ein Wachstum, das Hand in Hand mit einer weltweiten Urbanisierung geht. Nach Angaben der Vereinten Nationen dürften im Jahr 2050 rund 70 % der Weltbevölkerung in einem städtischen Umfeld leben – das entspricht 2,5 Milliarden zusätzlichen Stadtbewohnern. Dies wird in Zukunft auch den öffentlichen Nahverkehr zusätzlich belasten, für den eine Verdreifachung der Fahrgastzahlen in Stadtgebieten für denselben Zeitraum prognostiziert wird. Um diese Herausforderungen bereits jetzt oder in Zukunft zu bewältigen, benötigen Stadtgebiete ein ITCS (Intermodal Transport Control System, Intermodales Transport-Kontroll-System).

In einem ITCS werden sowohl Nahverkehrsbetriebe als auch Fahrgäste mit aktuellsten Informationen zu Fahrt, Fahrzeug und Verkehrslage versorgt. Dazu nutzen ITCS moderne Technologien, um Daten aus verschiedenen Teilen des ÖPNV-Netzes zu erfassen, darunter Fahrzeugposition, Nachrichten, Alarme und Videos, sowie Technologien, und um diese Daten zwischen den verschiedenen verbundenen Komponenten auszutauschen.

Im städtischen Kontext spielen ITCS nicht nur durch die Optimierung der Prozesse eine unmittelbare Rolle, sondern tragen in Verbindung mit künstlicher Intelligenz (KI) auch zur Gestaltung der Zukunft der Smart City bei. Die fortlaufende Analyse der erfassten Daten wie z. B. Fahrgastzahlen ermöglicht die virtuelle Modellierung der Zukunft der ÖPNV-Netze. Wenn diese Echtzeitdaten mit anderen Informationen aus dem Internet der Dinge (IoT) kombiniert werden, insbesondere in cloudbasierten Netzwerken, kann das beispielsweise eine vorausschauende Wartung von Waggontüren ermöglichen, was wiederum zu einer höheren Verfügbarkeit führt.

Die Entwicklung und Implementierung eines ITCS' verbessert so die Servicequalität im ÖPNV und steigert damit die Attraktivität des städtischen Nahverkehrs. Neben der Verringerung von Staus und Luftverschmutzung bedeutet das erhöhte Fahrgastaufkommen auch mehr Einnahmen für die Verkehrsbetriebe.

[Translate to Deutsch:] Making the city smart

Was sind die wichtigsten Bestandteile eines intelligenten Systems?

Ein ITCS besteht aus einer Reihe der aktuell fortschrittlichsten Technologien, die jeweils für eine bestimmte Aufgabe innerhalb des Netzwerks verantwortlich sind. Im Normalfall handelt es sich dabei um:

  • Systeme zur automatischen Fahrzeugortung (Automatic Vehicle Location, AVL)
  • Systeme zur automatischen Fahrgastzählung (AFZ)
  • Entscheidungshilfesysteme (Decision Support System, DSS)
  • Fahrgastinformationssysteme (FIS)
  • Geographische Informationssysteme (GIS)

Jedes dieser Systeme versorgt die Verkehrsbetriebe mit verschiedensten Daten zum Zustand des Systems, die den Fahrgästen automatisch als Benachrichtigung zur Verfügung gestellt oder später beispielsweise bei der Umgestaltung von Buslinienrouten genutzt werden können.

[Translate to Deutsch:] What are the main components of an intelligent system?

Zunächst versorgen AVL-Systeme die Verkehrsbetriebe mit Echtzeitinformationen zu ihren Fahrzeugen, wie Geschwindigkeit und Richtung, sowie zu Verspätungen z. B. aufgrund von Verkehrsstaus, schlechtem Wetter oder Baustellen. Daten von AVL-Systemen ermöglichen nicht nur die Aktualisierung von Fahrplaninformationen in Echtzeit, sondern können auch zur Erstellung von Prognosen zum Zustand der Fahrzeuge genutzt werden.

Unterwegs ermitteln Systeme zur automatischen Fahrgastzählung (AFZ) an jeder Haltestelle die Anzahl einsteigender und aussteigender Passagiere. Da AFZ-Systeme Daten zur Fahrgastauslastung in Echtzeit liefern, stellen immer mehr Nahverkehrsbetriebe diese Informationen ihren Fahrgästen zur Verfügung. Vor allem während der andauernden Pandemie helfen diese Daten den Fahrgästen dabei, ihre Fahrten zu planen und ihre Fahrgewohnheiten entsprechend zu ändern. Gleichzeitig ermöglichen AFZ-Systeme Nahverkehrsbetrieben, Fahrpläne an starke Veränderungen beim Fahrgastaufkommen infolge der Pandemie anzupassen. Heute werden fortschrittliche Sensortechnologien eingesetzt, um effizientere AFZ-Systeme zu entwickeln, die auch 3D-Computerbildgebung auf Basis intelligenter Bilderfassungssysteme bieten, um Fahrgäste beim Ein- und Ausstieg zu erkennen und zu zählen.

Es ist unvermeidlich, dass auch unvorhersehbare Ereignisse eintreten. Ein DSS unterstützt Verkehrsbetriebe dann bei der Steuerung des ÖPNV-Netzes, indem es alternative Strategien vorschlägt. Ein DSS analysiert Daten aus AVL- und AFZ -Systemen, um gravierende Verspätungen zu erkennen. Das DSS bietet dann entsprechende Entscheidungen zur Steuerung und Strategien zur Regulierung an, um den Zeitraum bis zur Wiederaufnahme des normalen Fahrplans zu überbrücken.

Diese Echtzeitdaten werden wiederum in das FIS eingespeist, das dann die Fahrgäste über die aktuellen Betriebsbedingungen informiert, allem voran über Ankunft- und Abfahrtzeiten. Die erste Generation von PIS an Bahnhöfen entsprach Wechselverkehrszeichen (WVZ). Die heute verwendeten Advanced Traveller Information Systems (ATIS, fortgeschrittenes Fahrgastinformationssystem) senden Daten zu Verkehrslage, Routenführung und Fahrtinformationen über das Internet direkt auf eine entsprechende App auf dem Smartphone der Fahrgäste.

Schließlich verarbeitet das GIS die gesammelten Daten der Trackingsysteme wie GPS oder Galileo. Dies wiederum erlaubt es, die Fahrzeugpositionen auf den Routen in Echtzeit zu kartieren, wodurch der Verkehrsfluss analysiert und Störungen im ÖPNV-Netz ermittelt werden können. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte hat sich die Forschung auf die Verwendung der GIS-Technologie konzentriert, um den Prozess der Routenplanung zu automatisieren.

All diese Systeme sammeln, verarbeiten und tauschen verschiedene Arten von Daten aus, die von unterschiedlichen Erfassungsgeräten und fortschrittlichen Technologien erfasst werden, darunter Satelliten und smarte Sensoren. Ein ITCS kombiniert die Daten dieser verschiedenen verbundenen Technologien, um ein ganzheitliches Bild des gesamten Betriebs zu erstellen.

Von der Erde ins Weltall auf das Smartphone – woher Ihr Telefon weiß, wann der Bus kommen sollte

Mobilkommunikation – wie kommen all diese Daten beim Nutzer an?

Generell kann ein ITCS gemäß dem Basiskonzept des IoT in drei Ebenen eingeteilt werden: die Erfassungsebene, die Netzwerkebene und die Anwendungsebene.

Die erste dieser Ebenen, die Erfassungsebene, dient als Informationsquelle und sammelt Daten von verschiedenen Geräten innerhalb des Systems. Quellen können sein:

  • Fahrgastgeräte (inklusive Smartphones und Fahrkarten-Abonnements)
  • Fahrzeuginterne Geräte (wie AVL- und AFZ-Systeme und Videokameras)
  • Geräte an den Haltestellen (inklusive automatischer Fahrzeugidentifizierung und Videokameras)
  • Geräte entlang der Route (wie Verkehrszeichen und smarte Laternen)
  • Geräte des Fahrzeugpersonals (inklusive RFID-Transpondern und Fahrkartenautomaten)

Die mittlere Netzwerkebene ist verantwortlich für die Übertragung der Informationen von der Erfassungsebene zur Anwendungsebene. Sie bedient sich dabei der kabelgebundenen und kabellosen öffentlichen Kommunikationsinfrastruktur, wie GSM, GPRS, CDMA, 3G, 4G oder 5G, um Daten über relativ weite Entfernungen hinweg zu übermitteln. Ergänzt wird diese Übertragung durch private drahtlose Kommunikation einschließlich RFID, Wi-Fi und Bluetooth, um smarte Sensoren mit in Fahrzeugen oder an Haltestellen installierten Terminals zu verbinden.

Die dritte Ebene, die Anwendungsebene, verarbeitet die von der Erfassungsebene empfangenen Daten und stellt Anwendungen sowohl für die Verkehrsbetriebe zur Verfügung. Für die Verkehrsbetriebe können dies beispielsweise Anwendungen zur Aufgabenzuweisung oder für öffentliche Durchsagen zur Fahrgastsicherheit sein. Aus Sicht der Fahrgäste können diese Anwendungen – Apps – Informationen zum Verkehr, Fahrplanabfragen oder Orientierungshilfen für Reisende beinhalten. 

Wie die Daten verarbeitet werden

Das IoT – wie Cloud Computing ein intelligentes Verkehrssystem noch smarter macht

Mithilfe von Cloud Computing können beispielsweise datenauswertende Algorithmen dazu genutzt werden, regelhafte Merkmale im Verkehrsfluss zu identifizieren und damit die Gesamteffizienz des ÖPNV-Netzes zu optimieren.

Die Echtzeitdaten, die ein ITCS über IoT-Geräte sammelt, unter anderem Wartezeiten an Bahnhöfen und Haltestellen, Fahrgastzahlen, Fahrzeugortung usw., werden mit Informationen aus dem Internet kombiniert, zum Beispiel Meldungen zu Sportveranstaltungen, Wettervorhersagen oder öffentliche Bekanntmachungen. Diese Informationen werden zur Speicherung und Verarbeitung an die zentrale Fahrzeugüberwachungs- und -steuerungsstelle gesendet.

Zusätzlich werden historische Daten genauer analysiert, um nützliche Muster und Regeln ableiten zu können, zum Beispiel abendliche Stoßzeiten an bestimmten Haltestellen. Diese Analyse kann genutzt werden, um Fahrgastströme und Fahrzeugankunftszeiten auf Basis von Prognosen zu berechnen, die auf Grundlage von früheren Mustern und Echtzeitinformationen erstellt wurden.

Auf diese Weise kann ein ITCS Nahverkehrsbetrieben dabei helfen, ihre Ressourcen optimal zu nutzen, die Fahrplangestaltung insgesamt zu verbessern und die Fahrt- und Reisezeit von Fahrgästen zu verkürzen.

Wo kommen diese intelligenten Lösungen zum Einsatz?

Rund um den Globus hat bereits eine Reihe von Nahverkehrsbetrieben ein ITCS implementiert, um ihren Fahrgästen einen qualitativ hochwertigen Service zu bieten. So profitieren bereits mehr als 120 Verkehrsbetriebe in den USA von diesen Systemen, wobei die verbreitetsten Technologien die geographischen Informationssysteme und die Entscheidungshilfesysteme sind.

Ein Beispiel aus Europa ist die finnische Stadt Lahti, die das Projekt CitiCAP initiiert hat, das sich darauf konzentriert, nachhaltige städtische Mobilität zu fördern, um Verkehrsstaus und CO2-Emissionen zu verringern. In Partnerschaft überwachen dabei die finnische Softwarefirma Mattersoft und iris die Fahrgastströme mithilfe automatischer Fahrgastzähler, um umfassende Daten zu den Mobilitätsentscheidungen der Menschen zu sammeln. Der persönliche ökologische Fußabdruck wird abhängig vom gewählten Transportmittel berechnet und über eine neue Smartphone-App erfasst. Mithilfe des PCT-Programms (persönlicher Emissionshandel, personal carbon trading - PCT) können die Einwohner von Lahti für ihre Nutzung smarter Verkehrsmittel dann Serviceprämien erhalten, zum Beispiel ein vergünstigtes Busticket oder eine Fahrradreparatur. Gleichzeitig dienen die Informationen als Werkzeug für Stadtplaner und als Quelle für Mobilitätsdaten zur Entwicklung von Innovationen.

Letztendlich profitieren alle davon.

Wer profitiert von einem ITCS?

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